Was ist ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren?

Das selbstständige Beweisverfahren (früher: Beweissicherungsverfahren) gibt Ihnen im Baurecht die Möglichkeit, kurzfristig Beweise über einen bestimmten Bauzustand zu sichern, der später verdeckt werden könnte und die Verantwortlichkeit mehrerer am Bau Beteiligter für die Ursächlichkeit eines Mangels feststellen zu lassen. Es dient der Feststellung von Fakten, auf deren Basis eine außergerichtliche Einigung ermöglicht werden kann. Die Gerichte beauftragen für die  Beweissicherung nach DIN ISO/EN 17024 zertifizierte oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige. Kommt es zu keiner Einigung zwischen dem Geschädigten und dem für den Baumangel Verantwortlichen, sind die Beweise gesichert. Auf Basis des Sachverständigengutachtens können Sie vor Gericht klagen. Der Gutachter ist dann das "Auge des Gerichts" (Augenscheinsbeweis). Seine Feststellungen und Beurteilungen werden vom Gericht als Fakten angesehen.

 

Wann ist ein selbstständiges Beweisverfahren erforderlich? 
Das Beweisverfahren gibt allen am Bau Beteiligten die Möglichkeit, schnell und effektiv Baumängel, deren Ursachen und Sanierungsmöglichkeiten einschließlich der möglichen Kosten sachverständig und gerichtsbeständig feststellen zu lassen. Außerdem kann auf diesem Wege über die streitige Frage, ob eine Bauleistung vertragsgerecht ist oder nicht, eine gutachterliche Klärung herbeigeführt werden. Und schließlich kann es auch wichtig sein, den Ausführungsstand eines Gewerkes, z.B. bei einem gekündigten Werkvertrag, einschließlich der Mangelfreiheit feststellen zu lassen. 

Voraussetzungen des selbstständigen Beweisverfahrens
Bei einem noch nicht anhängigem Rechtsstreit und einem bestehenden rechtlichen Interesse kann der Gegenstand der Begutachtung durch einen Sachverständigen

  • der Zustand einer Person oder der Zustand und Wert einer Sache
  • die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels
  • der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels

sein. Sie können insbesondere beantragen, Baumängel, deren Ursachen, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und Mängelbeseitigungskosten, die Verantwortlichkeit für Mängel, die Richtigkeit von Massen sowie den Bautenstand feststellen zu lassen. Das notwendige rechtliche Interesse an der Begutachtung ist immer dann gegeben, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dient. Dies ist stets dann der Fall, wenn über die zu begutachtende Tatsache und über die zu treffenden Feststellungen (z.B. Baumängel, deren Umfang, Ursachen und Verantwortlichkeiten, Mängelbeseitigungsmaßnahmen etc.) zwischen den Parteien Streit besteht. Zudem ist ein selbständiges Beweisverfahren zulässig, wenn die "Besorgnis des Verlustes oder der erschwerten Benutzung des Beweismittels besteht". Dies betrifft vor allem Baumängel, die bei Weiterbau nicht mehr oder nur erschwert auf Grund von Nachfolgearbeiten noch begutachtet werden können. Und auch bei gekündigten Bauwerkverträgen ist es u.U. für Sie als Werkunternehmer erforderlich, den Ausführungsstand Ihres Gewerkes und dessen Mangelfreiheit feststellen bzw. gerichtlich bestätigen zu lassen, bevor ein Folgeunternehmen die Arbeiten zu Ende führt und nicht mehr unterschieden werden kann, welche Arbeiten von wem wie ausgeführt wurden.

Was wird begutachtet?
Im Falle von Baumängeln kann durch Sachverständigengutachten Folgendes festgestellt werden:

  • die Baumängel
  • die Ursache der Mängel
  • die Feststellung des für den Mangel verantwortlichen Baubeteiligten
  • die notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen
  • die Mängelbeseitigungskosten 

Wann sollte ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt werden?
Die Beantwortung dieser Frage ist abhängig von der Verteilung der Beweislast. Denn ein selbständiges Beweisverfahren soll für den Antragsteller entweder Beweise für die Durchsetzung seiner Ansprüche erbringen oder aber Beweise mit denen er (unberechtigte) Ansprüche anderer abwehren kann. Mit anderen Worten: Wollen Sie als Bauherr Gewährleistungsansprüche gegenüber dem von Ihnen beauftragten Werkunternehmer geltend machen, müssen Sie ab dem Zeitpunkt der Abnahme nachweisen, dass dessen Gewerk Mängel aufweist. Aber auch wenn die Beweislastfrage geklärt ist, müssen weitere Gesichtspunkte wie die Gefahr des Beweisverlustes oder die Chancen einer gütlichen Einigung ohne einen aufwendigen Rechtsstreit bedacht werden.

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